Wunschdenken und Realität klaffen manchmal auseinander!
Die Frage, wie nach einer Trennung bzw. Scheidung von Kindeseltern die weitere Obsorge der gemeinsamen Kinder geregelt werden soll, ist in sehr hohem Maße vom Einzelfall abhängig.
Der Gesetzgeber stellt in so einem Fall mit Recht das Kindeswohl an erste Stelle.
Leitender Gedanke ist, dass beide Elternteile die gemeinsame Obsorge, auch nach Auflösung der Ehe, weiter ausüben, wie es in § 179 ABGB festgeschrieben ist. Dazu soll jedoch auch festgelegt werden, in welchem Haushalt das Kind hauptsächlich betreut wird. Dies sollte nicht nur formalen Anforderungen, wie zum Beispiel der Festlegung des Hauptwohnsitzes, dienen, sondern auch eine gewisse Kontinuität in das Leben des Kindes bringen.
In seinem Erkenntnis G152/2015 entschied der Verfassungsgerichtshof, dass auch eine gleichteilige Betreuung durch beide Elternteile dieser Regelung nicht entgegensteht und der Begriff „hauptsächlicher Aufenthalt“ nur als Anknüpfungspunkt für andere Rechtsfolgen interpretiert werden könne. Allerdings muss auch hier das Kindeswohl an erster Stelle stehen.
Auch der OGH (1 Ob 46/16w) folgte der Ansicht des VfGH, allerdings müsse eine besondere Kooperationsbasis zwischen den Eltern bestehen.
Dies scheint auch sachgerecht, da es nur schwer vorstellbar ist, eine aus gleichen Teilen bestehende Obsorge zu leben, wenn nicht beide Elternteile am selben Strang ziehen.
Doch ist dieses Modell für die Praxis wirklich geeignet? Gerade die Auflösung einer Ehe bringt naturgemäß in den meisten Fällen eine Fülle von Differenzen mit sich.
Aus diesem Grund ist es sehr häufig der Fall, dass gerade, die Kooperationsbereitschaft fehlt, die unverzichtbar für dieses Modell ist.
Zudem stellt sich die Frage, ist ein häufiges Wechseln des Wohnsitzes für Kinder wirklich sinnvoll? Wie der OGH in seiner Entscheidung 3 Ob 121/16i richtigerweise feststellte, kommt eine jährlich, oder sogar wöchentlich wechselnde hauptsächliche Betreuung nicht in Frage, da dies dem Prinzip der angestrebten Kontinuität und Stabilität widerspräche.
Natürlich ist es wünschenswert, dass auch nach einer Scheidung beide Elternteile am Leben der gemeinsamen Kinder teilhaben, jedoch ist eine festgelegte Hauptbetreuung aus Sicht des Kindes auf jeden Fall sinnvoll.
Es sind auch nicht immer die großen Probleme, sondern die kleinen alltäglichen, welche am Doppelresidenzmodell zweifeln lassen.
Voraussetzung für das Leben mit dem Doppelresidenzmodell muss zum Wohl der Kinder in jedem Fall sein, dass die Kommunikationsbasis zwischen den Elternteilen auf „sicheren Beinen“ steht und dass sich insbesondere auch die Ansichten der Elternteile in Erziehungs- und medizinischen Fragen decken. Eines ist jedenfalls unstrittig: ein einfaches Modell ist das der Doppelresidenz weder für Kinder noch für Eltern!